Die Fraktionsspitzen von CDU, CSU und SPD treffen sich in den letzten Augusttagen in Würzburg zur Klausur, um Vertrauen aufzubauen und sich persönlich besser kennenzulernen. Echt jetzt? Politiker, die seit Jahrzehnten nichts anders machen als „Politik“ und sich beinahe täglich über den Weg laufen, wollen sich besser kennenlernen? Und sie wollen in einer Klausur „Vertrauen aufbauen“? Den Baukasten möchte man sehen. Niklas Luhman nannte Vertrauen „eine Vorschußleistung“, aus der durch Taten Zutrauen wird. Vom Wortstamm her ist Vertrauen Treue, also Verlässlichkeit in Handlungszusagen. Was wurde uns nicht alles zugesagt – im Wahlkampf und danach – und was wurde eingehalten? Ergo: den Handlungszusagen der handelnden Politiker kann man nicht trauen. Sie verdienen folglich kein Vertrauen, ganz gleich, ob sie sich selber trauen. Darin liegt die emotionale Ursache für den Vertrauensverlust in Politik und Politiker. Darüber hinaus gibt es auch eine rationale, strukturelle Ursache. Sie wurzelt ebenfalls in der Etymologie von Treue, als personaler Gefolgschaft zwischen Herrn und Untertan, also in einer feudalen Herrschaftsbeziehung. Sie hat in der Demokratie keinen Platz mehr, weil hier Gefolgschaftsverhältnisse durch Wahl auf Zeit konstituiert werden und das Regieren und Regiertwerden durch Delegation an dafür Legitimierte beständig ausgetauscht werden kann. Ob ein solcher Austausch nötig ist, entscheidet sich durch Kontrolle, nicht mehr durch personale Gefolgschaft. Die Regierten schauen den Regierenden auf die Finger und wählen sie ab, wenn sie sich nicht bewährt haben. Ich habe also weder Frau Merkel noch Herrm Scheuer treu zu sein, sondern ich habe zu kontrollieren, ob sie den an sie delegierten Auftrag gut und richtig erledigt haben. Wenn uns also ständig von „Vertrauen“ vorgefaselt wird, dann deshalb, weil wir treu – im Sinne von treudoof – bleiben und auf echte und harte Kontrolle verzichten sollen. Das Gefasel von Vertrauen lullt emotional ein und legitimiert die Rolle rückwärts in der Politik, wo längst eine Refeudalisierung in personale Gefolgschaften stattgefunden hat. Seilschaften wie Fraktionsdisziplin (oder -zwang) stehen für ditfordat-Beziehungen, von den die modernen Lehen abhängen: Wer sich nicht fügt, bekommt keinen Listenplatz und keinen Versorgungsposten. Mit dem Arsch an die Wand kommen ist der wichtigste Imperativ der politischen Klasse, allein darauf lässt sich vertrauen, nicht auf die Fähigkeit, die wirklichen Probleme im Interesse des Landes zu lösen.