KataCom

Prof. Dr. Wolf R. Dombrowsky

Verdummung 5 – Die europäische Katastrophe

Die Teilnehmer des Gipfels der Schanghaier Organisation für Zusammenarbeit (SCO) sprachen sich für eine neue Weltordnung aus. Im Prinzip nicht mehr neu, inzwischen aber immer durchsetzungsfähiger. Ähnlich dem BRICS-Zusammenschluss fühlen sich zunehmend mehr „Schwellen“- und „Entwicklungs“-länder zum einen oder anderen oder beiden hingezogen. Die Frontstellung erscheint klar: Gegen die ökonomische und militärische Dominanz der USA und gegen die liberal-demokratische Weltordnung à la EU. Die Fenster der Gelegenheit stehen derzeit sperrangelweit offen. Die USA werden vom Trumpismus zerlegt und die EU im Ukrainekrieg. Wie sind die Lage und die Perspektiven Europas? Schaue man zuallererst auf die schlimmste Verdummung: Europa, so wird gern argumentiert, dürfe sich nicht klein machen. Es sei ein Schwergewicht von rund 450 Millionen Menschen im größten integrierten Markt der Welt. Und was ist sonst noch integriert? Gibt es eine integrierte Sicherheits-, eine integrierte Aussen-, Wirtschafts-, Sozial-, Energie- und Umweltpolitik? Die EU ist ein Bedeutungszwerg, was gerade bei vitalen Fragen kenntlich wird – nämlich denen nach Krieg und Frieden in der Ukraine. Vorgeblich wird dort, allein von den Ukrainern, auch unsere Freiheit verteidigt. Eine noch schlimmere Verdummung. Wäre es wahr, ließen weder Deutschland noch die EU insgesamt das Land am langen Arm versterben. Wasch mich, aber mach mich nicht nass, lautet die Devise. Man möchte nicht Kriegspartei werden und mobilisiert immer von Neuem die alten Ausreden: Russland ist doch eine Atommacht und ohne die USA im Rücken gehe nichts. Lieber verdient man weiter, bis tatsächlich gar nichts mehr geht – an Gas und Öl aus Russland, an Umwegexporten einschließlich relevanter Rüstungsgüter, an Urandeals und Finanz- und Immobilientransaktionen reicher Oligarchen. Das Profitieren ist aber nur ein Aspekt. Ein anderer und wichtigerer wird von Geostrategie offenbart. Man schaue sich nur die Landkarte an: Allein die BRICS-Staaten umfassen 32% des globalen BIP und 56% der Weltbevölkerung. Die Fläche Europas verschwindet als Krümel in der Gesamtfläche von SCO und BRICS. Wer als Schüler noch den Diercke-Weltatlas zur Hand nehmen musste, der erinnert sich an all die Ressourcenkartierungen der Nationalstaaten. Wenn man ehrlich ist gehört Euopa zu den Habenichtsen. Und das, was die europäischen Nationen haben, lohnt die Ausbeutung nicht mehr. Insbesondere das deutsche Wirtschaftsmodell beruht auf der Einfuhr günstiger Rohstoffe, deren elaborierter Verarbeitung und dem Export hoch qualitativer Endprodukte. Längst aber pfeifen es die Spatzen von den Zinnen entfernter Metropolen: Das Made in Germany wird andernorts kosteneffizienter produziert und global vermarktet – und so geht darnieder, was einst erfolgreich war: Unterhaltungselektronik, Optik, Solar & Wind, Eisen & Stahl, Werkzeugmaschinenbau und letztens die Automobilbranche. Tatsächlich hat Europa in seiner derzeitigen Verfassung keine Überlebenschance. Ohne relevante Ressourcen und ohne ein Wirtschaftsmodell, dass exakt auf diese Mangellage ausgerichtet ist, wird es für die europäische Wirtschaft keine Zukunft mehr geben. Das gleiche gilt, wenn die nationalstaatlichen Egoismen und wechselseitigen Blockaden bestehen bleiben. Doch gerade sie verhindern ein transnationales Europa, von dem schon Churchill sprach. The United States of Europe wären die einzige Überlebenschance für einen Kontinent, der inzwischen am Abgrund steht.